Fachmedien sind beliebt. Noch. Erst vor kurzem hat der Verband Deutsche Fachpresse wieder einmal Zahlen veröffentlicht, die belegen, dass BtoB-Entscheider Fachmedien gern und viel nutzen. Die Frage ist, ob diese Medien den Trend zur Digitalisierung nicht schon jetzt verschlafen haben.

Es ist noch gar nicht so lange her, da gab es wirtschaftlich erfolgreiche Tageszeitungen. Sie lebten ganz gut vom Geschäft mit Anzeigen und Abonnements. Dann kam dieses Internet und alles wurde anders.
Zuerst waren es die Kleinanzeigen, die sang- und klanglos ihren Platz im Netz fanden. Und auch Jobs wurden zunehmend digital inseriert. Der Vorteil für Anbieter und Kunden lag auf der Hand. Die einen konnten mehr Menschen gezielter erreichen, die anderen viel bequemer suchen.

Fachmedien sind eine wichtige Quelle

Fachmedien sind eine wichtige Quelle

Nachrichten zum Nulltarif

Gleichzeitig verschenkten die Zeitungen ihre Inhalte im Internet und gewöhnten die Leser daran, dass es Nachrichten zum Nulltarif gibt. Im Gegenzug unternahm man nichts oder nicht viel, um Geld mit dem neuen Medium zu verdienen. So sägten die Zeitungsverlage lange Zeit selbst an dem Ast, auf dem sie saßen. Und merkten gar nicht, wie ihr Geschäftsmodell langsam aber sicher immer weniger Geld abwarf.
Den Fachverlagen konnte diese Entwicklung bisher noch nicht so viel anhaben. Bisher. Denn die Zeichen verdichten sich, dass die ach so positiven Zahlen, die der Verlegerverband veröffentlicht hat, gar nicht so richtig wahr sind. Denn ein Trend zum Sparen zeichnet sich inzwischen auch in den Fachverlagen ab. Und der kommt sicher nicht von ungefähr. Denn auch dort verzeichnet man inzwischen rückläufige Anzeigenerlöse.
Auch wenn vermeldet wird, dass 94 Prozent der professionellen Entscheider Fachmedien nutzen, so sitzt das Geld bei denen nicht mehr so locker, die diese Medien eigentlich finanzieren: die Anzeigenkunden. Und auch Abos verkaufen sich nicht mehr wie geschnitten Brot. Das wiederum bedeutet sinkende Auflagen. Und die ziehen sinkende Anzeigenerlöse nach sich. Ein Teufelskreis.

Verlage haben nichts aus der Zeitungskrise gelernt

Aus der Zeitungskrise hat in den Verlagen offenbar niemand etwas gelernt. Denn schließlich erleben die Fachverlage jetzt das, was man von den Zeitungen schon seit geraumer Zeit kennt. Man hätte darauf vorbereitet sein können. Und: man könnte sich sogar jetzt noch darauf vorbereiten. Denn anders als in den Zeitungsverlagen ist in den Fachverlagen derzeit noch ausreichend Kapital vorhanden.
Man müsste es nur nutzen, um das eigene Geschäftsmodell fit für die Zukunft zu machen. Stattdessen wird gejammert. Es sei eben nicht mehr wie früher. Und böse sind die Anzeigenkunden. Und die Leser.
Böse ist vor allem eins: die Digitalisierung. Und die erfasst inzwischen alle Bereiche des menschlichen Lebens. Und weil Kommunikation nun mal schon traditionell auf Daten beruht, erfasst diese Digitalisierung jetzt auch die Fachmedien. Die Verantwortlichen haben derweil nichts besseres zu tun, als sich am gedruckten Exemplar ihres Mediums festzuhalten.
Digitalisierung sollte man dabei nicht falsch verstehen. Das meint nicht, einfach nur die Print-Inhalte ohne Sinn und Verstand ins Netz zu stellen. Es geht viel eher darum, Geschäftsmodelle zu entwickeln, die dem Trend zu mehr Online-Mediennutzung Rechnung tragen. Und das betrifft sowohl die Bedürfnisse der Leser als auch die der Anzeigenkunden. Es muss einerseits die Balance zwischen Print und Online geschaffen werden. Und andererseits auch eine zwischen Verschenken und verkaufen. Klar ist ja, dass die Verlage auch in Zukunft Geld verdienen möchten.

Bei Fachverlagen wird das Geld knapp

In den Verlagen merkt man schon, dass man immer weniger Geld zur Verfügung hat. Und kennt dagegen ein Mittel: sparen. Zuerst kommen die Berater. Die machen ganz schnell aus, was hier zu teuer ist: die Redaktion ist es. Schließlich bekommt man heute alles billiger. Auch Text. Den kann ja der Volontär (im besten Fall) oder der Student, ja vielleicht auch die Hausfrau liefern. Zum Discount-Tarif. Die Leser werden das nicht merken. Die sind nicht so klug.
Auch bei den Zeitungen war es so. Ganze Redaktionen wurden ausgelagert oder durch Billig-Schreiber ersetzt, die von ihrem schmalen Salär kaum leben können und dabei mit ihrem klapprigen Auto von Termin zu Termin hetzen. Das machen jetzt die Fachverlage nach.
Kein Wunder. Sind doch inzwischen nicht selten die Verantwortlichen dort diejenigen, die vorher in den Zeitungsverlagen das Sagen hatten. Sie haben die sinkenden Schiffe verlassen, bevor ihnen die Luft ausging. Weiter machen sie nun in den Fachverlagen und setzen mit kurzfristigem Erfolg die alten Rezepte um.

Die Fachverlage schaffen die Digitalisierung nicht

An der Digitalisierung des Geschäftsmodells Fachverlag arbeiten sie nicht. Sie arbeiten eher am Kaputtsparen. Und setzen gleichzeitig eine neue Spirale in Gang. Denn wenn die Billig-Schreiber billige Inhalte liefern, mögen die Leser die Zeitschrift weniger. Die Auflage sinkt wieder. Die Anzeigenkunden ziehen sich deshalb zurück. Das Geld wird weniger.
Es muss noch mehr gespart werden. Die Redaktionskosten sind zu hoch. Die Schreiber bekommen noch weniger Geld. Die Qualität sinkt. Und das Ganze geht von vorne los. Bis zum bitteren Ende.
Dabei könnte es doch ganz anders sein. Denn wer schlau ist, kann mit neuen Geschäftsmodellen seinen Platz in der digitalen Welt finden. Er muss nur etwas verwenden, das oft in Vergessenheit gerät: Gehirnschmalz. Denn anders als die Leser der Zeitungen braucht das Fachpublikum die Inhalte der Fachmedien für fundierte Entscheidungen.
Genau diese fundierten Entscheidungen bringen dem Leser oder seinem Unternehmen Geld. Der Leser möchte also Informationen und ist sogar bereit, dafür etwas zu bezahlen. Meist zahlt er ja nicht selbst, sondern sein Unternehmen.
Warum also wird in den Fachverlagen kein Gehirnschmalz produziert, das die Medien ins digitale Zeitalter katapultiert? Weil die Verlage bisher keine digitale Unternehmenskultur haben. Und das hat vielfältige Ursachen.

Schuld sind eigentlich alle

Machen wir zunächst die Schuldigen aus: Schuldig sind nämlich eine ganze Reihe von Leuten. Sie ahnen es. Schuldig sind die Manager. Aber das ist noch nicht einmal die halbe Wahrheit. Schuldig sind auch die Redakteure. Und die Anzeigenkunden. Schuldig sind sogar die Anzeigenverkäufer.
Denn die meisten von ihnen sind digitale Einwanderer. Im besten Fall. Im schlimmeren Fall sind sie Digitalverweigerer. Dann kleben sie so lange an ihrem eigenen Papier fest, bis sie zusammen mit ihm im Altpapier verschwinden. Das gilt für alle Genannten. Denn alle vom Manager bis zum Anzeigenkunden messen dem bedruckten Papier immer noch einen immensen Wert zu.
Likes oder Shares sind für sie Spielsachen aus dem digitalen Leben ihrer Kinder. Sie haben keinerlei Affinität zu digitalen Inhalten und sind auch nicht dazu in der Lage, ihnen einen Wert beizumessen. Dabei ist im digitalen Zeitalter der Wert digitaler Inhalte sogar richtig messbar. In ganz konkreten Zahlen. Das müsste die Manager eigentlich glücklich machen. Tut es aber nicht. Sie kommen aus einer Welt, in der Auflagen alles sind. Nicht Klicks oder Likes.

Redakteure, Anzeigenkunden und Anzeigenverkäufer verpassen die Digitalisierung

Und das betrifft nicht nur die Manager. Auch die Redakteure, Anzeigenkunden und Anzeigenverkäufer leben oft genug in einer Welt, die überwiegend analog ist. So wundert es wenig, dass sie keine Ideen haben, wie sie Inhalte digital erzählen können oder digitale Produkte an den Mann bringen.
Dazu kommt der alte Streit zwischen Redaktion und Anzeige. Redakteure klagen darüber, dass Anzeigenverkäufer ihre Inhalte nicht würdigen. Anzeigenverkäufer leiden darunter, dass Redakteure nicht ans Geld verdienen denken. Alle gemeinsam leiden darunter, dass sie nicht wissen, wie man mit digitalen Geschäftsmodellen Geld verdienen kann.
Ein vernetztes Denken zwischen Print und Digital findet – wenn überhaupt – nur in Ansätzen statt. Und weil der Streit zwischen Anzeige und Redaktion ja schon so alt ist, setzt man sich auch nicht zusammen, um mal auszuloten, wie man auch in Zukunft noch Geld verdienen kann.
Stattdessen schimpft man lieber auf die geldgeilen Anzeigenfuzzis oder die vergeistigten Redaktionsheiopeis. Dabei werden doch alle gebraucht. Die einen, die das Geld an Land ziehen, und die anderen, die die Inhalte liefern, die die Leser zum Lesen bringen. Gebraucht werden sogar die Manager und die Anzeigenkunden. Alle zusammen sorgen am Ende dafür, dass alle zufrieden sind.
Der verstorbene FAZ-Herausgeber Frank Schirrmacher sagte im Mai 2014: „Es ist Zeit zu erkennen, dass die Verlage nicht die bedauernswerte Nachhut der digitalen Moderne sind, sondern die Vorhut.“ Das haben offenbar in den Fachverlagen bisher die wenigsten erkannt. Es stellt sich die Frage, ob die Verantwortlichen es schaffen, den Weg ins digitale Zeitalter zu finden, bevor ihnen das Geld ausgeht.